Reise 1999
Reise 2001
Pakistan
Ost Turkestan
Tibet
Literaturhinweise
Reiseberichte
Toneinspielungen
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Bericht 1: (zum Anfang)
2.5.2001
Hallo
Freunde und Verwandte,
ich bin gut angekommen. Nach dem langen Aufenthalt in Heathrow (London), wo ich
diesen Megaairport bestaunt habe - es starten immer alle Minute ein Flugzeug und
die Warteschlange will so gar nicht anreisen -, ging es endlich an Bord. Schon
hier fiel auf, dass Pakistan noch kein Touristisches Land ist, denn es gab
gerade mal 5 oder 6 WestlerInnen an Bord. Das Flugzeug war zum Glück nicht ganz
voll und ich ergatterte mir sogleich eine ganze Dreiersitzbank fuer mich - ich
konnte also schlafen. Der Flug war bis auf einige Turbulenzen und Gewitter ruhig
(er führte Übringens über Moskau).
In Islamabad erschlug einen sofort die Wärme, schon morgens um 5.10 Uhr waren
es noch mehr als 22 C. Jetzt Mittags liegt es bei 35 oder 40 C. Der Flughafen
besteht aus einem Gebäude aus Beton und langgezogen und die Formalitäten waren
viel einfacher als erwartet. Draußen dann all das andere, erst mal keine
Touristenjäger - das ist gut. Aber sonst ist vieles anders als in Nepal oder
so. Vor allem dass die
Männer arabische Kleidung tragen (natürlich,
die sind ja Muslime), fuer uns sieht das wie Nachthemd mit passender Hose
darunter aus.
Vom Flughafen bin ich gleich mit den Suzukis (Kleinstbus fuer bis zu 10
Personen) nach Rawalpindi gefahren. Ein Hotel war schnell gefunden. Mein
Doppelzimmer kostet weniger als 8 DM, es hat sogar eine Dusche und Toilette. Natürlich
sind die Standards ein wenig anders als bei uns. Dadurch nehme ich am Leben auf
der Strasse sehr gut teil.
Touristen habe ich bis jetzt keine getroffen – dies ist wirklich anders als in
Kathmandu. Die Pakistani sind sehr nett und viele verstehen einiges an englisch.
Das Leben geht also weiter. Nach dem Mailen werde ich ein wenig die Stadt
erkunden, zumindest ein wenig.
Vermutlich werde ich schon übermorgen weiterreisen, vielleicht sogar bis Gilgit
(halber Weg zum Kundjerab-Pass), denn die Hitze ist fuer mich wirklich
grenzbereichig.
So das war’s erst mal. Ich melde mich noch mal bevor ich Rawalpindi
verlasse..... Jürgen
Bericht 2:
(zum Anfang)
3.5.2001
Hallo Ihr Lieben,
schon Heute schreibe ich zum Zweiten Mal, da ich morgen
Pindi,
wie die Stadt hier genannt wird, verlassen werde. Um 3.30 Uhr PM geht’s vom
großen Busbahnhof los Richtung Gilgit. Bis Gilgit dauert’s normalerweise 17
Stunden!!!!!! (knappe 600 km) Die Fahrt dauert zum Einen wegen der
schlechten Wegstrecke, zum anderen wegen der vielen Checkposten so lange. Auf
den Strassen beruhigt ein wenig, dass jeder Bus mit zwei Fahrern ausgerüstet
wird. Ich werde ca. gegen 6 AM aussteigen um zu wandern. Auf einer 2 oder 3 Tage
Tour will ich an den Nanga Parbat heranwandern. Das Zelt wird auf 3100 m stehen.
Von dort soll es einen wunderbaren Blick auf dieses Bergmassiv geben. Und dort
wird es nicht mehr so heiß sein. Diesen Tipp bekam ich vom ersten westlichen
Touristen den ich traf.
Das war in Taxilia, einem riesigen Ausgrabungsort, an dem an
ca. 10 Stellen Orte und Dörfer, wie Monastrys freigelegt wurden. Dieses Gebiet
wurde nachweislich seit dem 6 JHD BC bevölkert. Ich bekam wunderbare Eindrücke
von den Ausgrabungen, wie Landschaft. Getrübt vielleicht durch die
Mittagshitze. Um 2 PM bei knapp 40 C sollte man so eine Tour auch nicht machen.
Herumgefahren hat mich ein alter Pakistani mit langem weißem Bart auf seiner
Einachsigen Kutsche. Wunderbar! Dort sind die Preise auch schon ein wenig "angetouristet",
d.h. die Preise werden einfach erhöht und es kostet jedes Mal ein wenig
Diskussion, sie auf ein normales Niveau zu bekommen.
Auch wenn die erhöhten Preise fuer uns immer noch sehr
niedrig sind, sollten sie nicht gezahlt werden, zum Einen wegen des nächsten
Touristen, zum Anderen wegen der Einheimischen, die diese Preise irgendwann
nicht mehr zahlen könnten. Meine 600 km Fahrt mit dem Bus, dem besseren, kostet
immer noch weniger als 20 DM umgerechnet. Ein Abendessen kostet weniger 2 bis 3
DM. Beinahe das Teuerste ist das Mineralwasser, 1,5 Liter kosten 20 RP, also 80
Pfennige. Medikamente sind ebenso billig und alle frei zu bekommen.
Prophylaktisch besorgte ich mir ein Malariamittel (Thorsten - leider haben sie
hier nur Fansidar & Mücken gibt es eigentlich gar keine). Drei Tabletten
kosteten keine 40 Pfennig. Das normale Leben ist hier sehr billig, wie es mit
Luxusgütern ist weiß ich nicht, aber vermutlich
unerschwinglich.
Im Alltag der Stadt finde ich mich schon viel besser zurecht.
Diese Stadt Pulsiert und hat eine mächtige Kraft, Leben Pur, selbst Nachts wird
es kaum wirklich leiser. Erst ab zwei Uhr Nachts kann ich immer Hotelzimmer ohne
Ohropax weiterschlafen. Am Tag ist es ein ständiges Hupen und Schreien der
Kleinbusfahrer, welche um Kunden buhlen. Abends im Basar eher das Anpreisen der
Waren. Dort sind dann auch einige Frauen zu sehen, meistens natürlich
verschleiert. In den Bussen sitzen sie entweder vorn beim Fahrer, oder erhalten
eine eigene Sitzreihe, auch wenn dann weniger in den Bus passen.
Die Pakistani sind freundlich und neugierig. Ich werde ständig
angesprochen oder nur angesehen (ohne wegzuschauen). Wenn ich den Blick
erwidere, erscheint meist ein Lächeln und Neugierde schimmert deutlich
hindurch. Leider kann ich kein Wort Urdu, die hiesige Sprache, dadurch wird’s
in den Basaren mit der Verständigung doch viel schwieriger. Häufig ist auch
Vertrauen und Geduld gefordert. So sitze ich im Bus fahre und fahre, weiß zwar
wo ich raus will, kann aber natürlich nichts lesen. Und irgendwann stupst mich
dann jemand an und es muss sehr schnell gehen, dass ich noch aus dem Bus
herauskomme. Trotzdem ist es hier sehr schön und ich fange schon an zu genießen.
also
bis demnächst, vielleicht gibt’s es ja einen NETPOINT in Gilgit, mal schauen
Jürgen
Bericht 3:
(zum Anfang)
9.5.01
Hallo Freunde und Verwandte,
Ich bin gut in Gilgit angekommen und habe mit dem Medima
Guesthouse eine wirkliche schöne Oase fuer Touristen gefunden. Es ist ruhig, es
sind nette andere Weltweisende anwesend und sie bieten auch Westliches Essen an.
Mit dem Essen ist es auch z.Z. das größere Problem. Mein
Magen und Darm reagieren noch stark auf die sehr anderen Speisen hier in
Pakistan. Die Folgen sind die üblichen, Durchfall und Magenschmerzen. Na ja, es
hält sich im allgemeinen in Grenzen. Obwohl ....
Obwohl auf den Märchenwiesen (Fearry
Meadows) am Nanga
Parbat hatte ich noch schlimmere Magenschmerzen und ich konnte kaum etwas zu mir
nehmen, eine Nacht peinigte mich auch Schüttelfrost (in diesem
Superschlafsack), aber das scheint jetzt vorbei zu sein in
Gilgit. Die Tage auf den Märchenwiesen in 3300 m waren superschön. Ich hatte
ständigen Superblick auf den Nanga Parbat, der noch mal über 4500 m aufragt in
den Himmel- ein Superblick und super entspannend. Deshalb bin ich dann auch
einen Tag länger geblieben. Es ist ein Gebiet, welches mit vielen Mooren
durchzogen ist und einen hohen Bestand an Kiefern- und anderen alten Nadelbäumen
hat. Eine Wanderung brachte mich dann an den Reikhot Gletscher –
phantastisch.
Nicht so phantastisch sind die Einheimischen. Sie versuchen
die Touristen hier wirklich auszuquetschen. Alle Preise sind um ein Vielfaches
teurer als sonst im Land. Fuer eine 15 km Jeeptour verlangten sie 2000 RS, wo
ich
schon fuer 520 km nur 400 zahlte. Na Ja. der Bus aus Pindi
warf mich morgens an der Reikott Brücke über den Indus raus und ich entschied,
den ganzen Weg zu wandern - immerhin 2000 Höhenmeter. Nach einer Stunde fühlte
ich mich schon total kaputt, lag wohl an dem fehlenden Schlaf im Bus, aber ich
versucht es weiter. Die Strasse mehr an den Fels geklebt als wirklich
vertrauenerweckend. Die Zeit zog sich und mein Wanderstil veränderte sich in 50
- 100 m gehen und durchatmen. Nach 5,5 h erreichte ich dann endlich den Endpunkt
der Strasse - 1000 m waren geschafft. Eine ausgiebige Pause mit Mittagsschlaf
machte mich wieder fit und ich steckte mir wieder das schon in die ferne gerückte
Ziel der Märchenwiesen. Ich schaffte es!!! Die letzten Meter hat mich noch ein
Pakistani teilweise geschoben, da ich wirklich nicht mehr konnte. Ich konnte
grad noch mein Zelt aufbauen und Essen kochen bis es um 7 endgültig dunkel
wurde. Die ganze Nacht über hatte ich den Blick auf den Berg, der durch den
Vollmond herrlich erleuchtet war. Auch die Höhenakklimatisation musste ich erst
mal durchmachen. Alle Tage war ich ab und zu recht Kurzatmig - eine kleine
Warnung an mich, es nicht zu schnell angehen zu lassen.
Zu den Busfahrten bleibt eigentlich nicht viel zu sagen.
Vielleicht, dass hier eine Fahrt von 530 km 18h dauert, dass ist ganz normal.
Eben Berg rauf und runter und um viele Kurven, aus meiner Europäischen Sicht
immer am Abgrund entlang (meistens dem Indus). Die Fahrer sind wirklich Klasse
und mit jeder Stunde wuchs mein Vertrauen in sie. Nach dem Fahrerwechsel dauerte
es jedoch wieder eine Stunde um ruhig zu werden. Selbst große Bundesstrassen
sind hier schmaler als bei uns schlechte Nebenstrecken. Gestern von der
Reikottbruecke nach Gilgit konnte ich dann die ganze Natur und Abgründe sehen.
Die Natur ist eben, außer in der Höhe, oder wo’s Wasser gibt, trocken,
sandig, es gibt wenig wirklich festen Fels und sehr viel Geröll bzw.
Konglomerat und immer tief unter einem der Indus in die Landschaft
hineingefressen.
Gilgit ist eine kleine, schöne Stadt. Es ist zwar auch hier
heiß, aber lange nicht so stickig wie in Pindi. Die Menschen sind sehr vielfältig
(aus vielen Volksgruppen) und sehr freundlich und nett und haben scheinbar schon
viel häufiger Ausländer wie uns Touristen gesehen (man steht nicht mehr so auf
dem Präsentierteller). Auch hier werde ich ein Paar Tage bleiben (entweder
Morgen Nachmittag oder Freitag geht’s dann weiter).
Die ganze Reise durch Pakistan lasse ich ruhiger angehen. Bis
Kashgar plane ich schon 4 Wochen ein. Leider bin ich immer noch nicht im
richtigen Reisefeeling. Grad morgens wache ich häufiger traurig auf und würde
am liebsten gleich zurückkommen; das vergeht dann aber bald, wenn ich mit
anderen Menschen zusammentreffe (meistens beim Frühstücken). Meine gesamte
Stimmung ist anders als bei der letzten Reise. Ich bin viel nachdenklicher und
komme eben nicht so schnell in dieses andere Leben wie beim letzten Mal.
Ich mache erst mal Schluss. Fühlt euch alle lieb gegrüßt
und umarmt.
Wundert euch nicht, wenn ich mich bis Kashgar nicht melde, da
Internet hier immer seltener wird (also entweder bald oder erst in 2 bis 2,5
Wochen aus Kashgar) Jürgen
Bericht 4:
(zum Anfang)
22.5.2001
Hallo Freunde und Verwandte,
Ich bin gestern in Kashgar (China) angekommen und sitze
jetzt, Dienstag Mittag, im Internetcafe und habe mich gerade mit dem
chinesischen Personal des Internetcafe gestritten ob und wie ich etwas auf einer
Diskette zwischenspeichern darf oder nicht. Sie wollten mich nicht verstehen,
ein typisches Verhalten in China – nicht verstehen wollen, insbesondere bei
Ausländern, sie mögen sie nicht. Aber dazu später mehr, erst mal der Reihefolge
nach.
Außer dass die Chinesen sehr Nationalstolz sind und so auch
Ausländerabweisend, fühle ich mich wohl und geht es mir gut!
Von Gilgit bin ich mit einem Kleinbus (Hiace) nach Kalimabad
gefahren. In diesen Bussen heißt es Menge gleich Geld. In einer Reihe saßen 4
Personen, 4 Reihen gab es, plus 3 Personen vorne gleich 19 plus 6 Personen und
Gepäck auf dem Dach, gleich 25 Personen. Ich glaube, er war ein wenig überladen
und schwamm quasi durch die Kurven. Natürlich alle Reifen mit wenig Profil,
aber so ist es hier und es geht dann doch meistens alles gut. So wie dieses Mal,
drei Stunden später war ich in Kalimabad. Vorbei an dem wunderschönen
Achttausender Reikapotsche. Leider habe ich meinen Hut in dem Wagen liegen
lassen (ich hatte ihn nach einer Pause als Sitzunterlage benutzt, da der Sitz zu
heiß war). Also musste ich mir einen neuen Hut zulegen, was mir mehr recht als
schlecht gelang.
Kalimabad ist eine grüne Oase im Hunza, wie das Tal heißt.
Überall sprießen Bäume und Gewächse, obwohl es drum herum total trocken ist.
Geschaffen wird das Grün durch ein ausgeklügeltes Wasserkanalsystem von
vielen, vielen Kilometern. Sie beginnen schon hoch oben in der Schlucht des
Ultar 1 Peaks und reichen bis weit
in die Ebenen. Die Stadt, besser Dorf, ist eine lange
Strasse, oberhalb mit einem Fort (mit einem exorbitanten Eintrittspreis von mehr
als einer Übernachtung) und einer Altstadt (Baltit). Die Altstadt
besteht aus Lehmhütten und sehr engen Gassen und ist total verwinkelt. Die
Menschen sind super freundlich und endlich sieht man auch wieder Frauen und
sogar unverschleiert auf der Strasse. Hier herrscht ein anderer Islamismus vor.
Sie glauben an Agha Khan und sind Ismailiten, im Gegensatz zu den Schiiten in
Gilgit und Pindi. Die Menschen sind wirklich herzig und lieb und offen.
Letztlich bin ich hier 4 Nächte geblieben, zwei mehr als geplant.
Am ersten Tag bin ich zu den Ultar Meadows gewandert, sie
liegen auf 3200 m. Wie ich später mitkriegte habe ich den richtigen Weg
verfehlt und bin über einen Geheimpfad der Einheimischen hinaufgelangt. Zuerst
bin ich den Wasserkanälen aufwärts gefolgt (immer ein paar Kindern mit Ziegen
folgend), auf der ersten Anhöhe habe ich dann meinen Fehler entdeckt. Der
Wasserkanal war jetzt an den Fels geklebt, bzw. gerade mal hineingesprengt,
gleich daneben ging’s bis zu 100 m steil Bergab und der Kanal war grad 50 cm
breit, der Tritt 10 cm!!!! Ich entschied mich, weiterzugehen, der halbe Weg war
leicht, dann senkte sich der Fels von oben bis auf 100 cm herab, teilweise bin
ich im Wasser gegangen, gekrabbelt und gerobbt. Irgendwann hatte ich es
geschafft und ich konnte den Kanal verlassen. Eine weitere Stunde später war
ich dann auf den Meadows.
Pause und Blick genießen auf den Eisfall, der hier 1000 m
vom Ultar 1 herabfällt. Ein Wahnsinns- Blick!!!! Irgendwann kam ein Thomas aus
Ulm auch den Berg hinauf und gesellte sich zu mir und meiner Pause. Wir
verstanden uns gut und wanderten noch ein wenig weiter bergauf. 400 Höhenmeter
weiter oben stoppten wir, als der Weg nach ein wenig Kraxeln auf einen Eiskanal
ging. Es war der richtige Weg zum Basecamp des Ladzfingerpeak, aber wir hatten
zu wenig Ausrüstung und vor allem kein Wasser und irgend etwas ließ uns hier
Schluss machen. Also wieder Pause und Blick genießen, dann Abstieg zu den
Meadows, wo unsere Rucksäcke standen. Grad eine halbe Stunde später hörten
wir ein tiefes Grollen von den Bergen über der Stelle am Eiskanal und schon
Sekunden später schoss eine riesige Eislawine den Eiskanal hinunter, vorbei an
unserem grad verlassenen Rastplatz. Beide dachten wir: Glück gehabt, denn es
waren sicherlich nur wenige Armeslängen zur Eislawine. Selbst die Einheimischen
waren über die Gewalt der Lawine sehr erstaunt.
Weitere 3 Nächte verweilten wir in Kalimabad und teilten uns
einen Raum mit traumhaftem Blick über das Dorf und das Tal. Lazy Tage mit viel
Ruhe, Lesen und wenig bewegen! Letztendlich haben wir Nachmittags zu viert eine
kurze(!) Wanderung gemacht und sind dann gut essen gegangen, das zwar mal zwei
Stunden in der Zubereitung dauerte, aber immer sehr lecker war.
Einen Nachmittag gingen wir zum Dorf
Ganesh, dem ältesten
bewohnten Ort in Hunza. Da es so schön ist, sollten wir zur Besichtigung
Eintritt zahlen. Es wäre das erste Dorf gewesen, fuer das ich Eintritt zahle,
also sind wir geschickt hinten herum hinein. Es wurde entdeckt und gab viel
Diskussion unter den Einwohnern, die diesen Eintritt nicht nur gut fanden.
Schließlich zahlten wir ein Wenig und sahen ein süßes, kleines, altes Dorf
mit total schönen kleinen Moscheen (3 x 3m) und einem hohen Wehrturm. Hier
erfuhren wir auch von der am folgenden Tag stattfindenden Prozession der Shias
(wieder eine andere Glaubensrichtung des Islam).
Die Prozession startete Morgens um 8.30 AM und ging mit Gesängen
und harten Schlägen auf die Brust (sicher nur in Trance auszuhalten) zum nächsten
Ort. Dort gab es zahlreiche Andachten und Predigten. Bei einigen weinten die Männer
(es durften nur Männer teilnehmen) hemmungslos. Wieder andere Redner schienen
eher politische Inhalte einzuflechten. Schließlich endete es wieder mit
Trancegesängen und erst Schlägen auf die Brust, dann zogen sie Ihre Hemden aus
und holten Messer an Ketten heraus und schlugen sie um Ihren Körper, schnell
verfärbte sich Alles rot vom Blut. Blut und Schmerzopfer, um die ging es hier
wohl, vergleiche im Christentum gibt es wohl, aber ich entsinne mich nicht. Es
war greulich anzuschauen und mir völlig unverständlich, ich bin bald gegangen.
Zwei Stunden später saß ich im Bus nach
Passu, dann war
auch der KKH (Karakorum Highway) wieder frei. Passu ist ein sehr kleiner
verschlafener Ort auf 2400 m und ist sehr beliebt bei Hikern. Von hier aus gibt
es unzählige Wanderungen zu den Gletschern; von eintägig bis mehrere Wochen.
Ich bin zum Passugletscher hinaufgestiegen. Von 3000 m hatte ich einen super
Blick über den Passugletscher und konnte sehr schön das Knacken und Grollen hören.
Abends im Hotel gleich an der Strasse war es total ruhig. Der KKH ist eine
Strasse mit sehr wenig Verkehr, es sind nur die Einheimischen und die Touristen,
welche hier fahren. Der Handel über den Pass mit China ist sehr stark beschränkt,
da Pakistan sonst Bedenken hat, zu viele selbst benötigte Güter über den Pass
nach China zu exportieren. Es fahren hier vielleicht 50 Autos insgesamt am
Tag!!!! Vorm Weiterfahren am Morgen, ich stehe meistens um 5 - 6 AM auf, bin ich
noch zu einer Hängebrücke über den Hunzafluss gewandert. An 5 Drahtseilen bin
ich über die (zwar flache) 200 m breite Schlucht gegangen. 416 sichere Schritte
in jeder Richtung. Holzähnliche Tritte gab es alle 50 cm, oder? Eine weitere
kleine Mutprobe, denn das ganze Objekt schaukelte und das schnell fließende
Wasser unter mir machte mich schwindelig.
Dann ging es weiter den KKH hinauf, immer wieder beeindruckte
mich diese Bauwerk, wie es in die Fels gesprengt wurde. Eine Meisterleistung!!!
Sost, besser gesagt gleich dahinter der Grenzort Afyetabat. Metallhütten,
schmuddelig, ein Lagerplatz, ein Schmugglernest mit vielen Männern die einfach
nur herum zu stehen schienen. Sie taten nichts, standen, quatschten, warteten.
Worauf, weiß nicht, vielleicht auf Godot.
Morgens ging’s dann los, in den Bus und auf den Pass nach
China. Aber erst einmal Grenzkontrolle am Bus.
Pass und Gepäck und viel Zeit, es standen unzählige
wichtige Beamte herum und fast alle taten nichts, aber es sollte noch kurioser
kommen. Um 10 AM ging’s endlich los, erste Kontrolle am Dorfausgang und hinein
in die Schlucht nach oben, immer mal wieder warten auf das beseitigen von
Lansslides. Aber es ging immer weiter Bergauf. In Dee (Ort) Eintritt von 4 $US
fuer den Nationalpark durch den wir hindurchfahren (wenn das Geld man wirklich
dafür genutzt wird???) und nächste Kontrolle. Endlich die Serpentinen zum
finalen Aufstieg zu den 4700 m. Der Pass ist flach und gleich hinter ihm folgt
ein großer hoher, sicherer Metallzaun (in 4700 m!!!!), die Grenze nach China.
Zwei Marionettensoldaten salutieren dem Bus links und rechts. 400 m weiter der
Grenzbalken mit unzähligen Polizisten in Uniform, viel gleich wichtig, fast
schlimmer als zu DDR Zeiten. Passkontrolle und 20 min wichtig tun, dann geht’s
mit Begleiter weiter nach Tashkurkan, dem eigentlichen Grenzort. Die Landschaft
ist viel seichter und offener. Weite Ebenen liegen vor uns, das Pamirgebirge in
der Entfernung glitzert. Vorbei an Jurten und Kamelen bergab zum Grenzort, jetzt
mit Pekingzeit. An der Grenze mussten die Uhren 3 Stunden vor gestellt werden.
Hell wird es jetzt um 6 AM, dunkel um 11 PM. Eine total unlogische Zeit, deshalb
gibt auch die inoffizielle lokal time, die 2 Stunden nach geht.
Grenzkontrollen in Tashkurkan, alles Gepäck aus dem Bus,
Formblätter ausfüllen und ewig dauert es, den Stempel in den Pass zu drücken.
Dann Gepäckkontrolle mit Röntgen und wahllos auspacken lassen und natürlich
wieder vielen, vielen wichtigen Personen drum herum. Viel gleich wichtig, gleich
unsicher machen. Natürlich spricht, wie fast überall, keiner Englisch. Die
Chinesen sind einsprachig, gibt es denn auch andere Menschen als Chinesen?
Dieses Verhalten wird einem deutlich gezeigt. Teilweise lassen dich die Chinesen
am Schalter irgendwo stehen, gehen weg ohne Grund, wollen dich nicht verstehen,
obwohl eigentlich klar ist, dass es noch ein Thema gibt. Ich fühle mich hier
unwohl und teilweise verloren, selbst Zeichensprache hilft nicht.
Morgens geht’s weiter zum Karakulli See auf 3700 m. Die
Nacht war nur mit Öhrstöpseln zu ertragen. Chinesen kennen keine Rücksicht,
selbst um 3 Nachts schreien sie noch durchs Hotel, dass Keiner weiter schlafen
kann. Der See ist ein Touristenort. Sofort stürmen die Kirgisen auf dich zu und
wollen verkaufen, einfach Alles: Steine, Hüte, Schmuck, einen Ritt auf dem
Pferd oder Kamel, Essen, Essen in der Yurte, auch wenn dein Zelt schon steht,
wollen sie, dass du in Ihrer Hütte übernachtest oder Geld tauscht. Leider
beschränkt sich der Kontakt auf diesen Verkaufswunsch, danach bist du
uninteressant. Nur bei wenigen entsteht etwas wie Kontakt. Der See hingegen ist
wirklich schön zwischen zwei weißen Pamirgiganten gelegen. Leider war das
Wetter nicht so gut. Ständig Wind bis Sturm und dadurch viel Sand im Zelt. Die
erste Nacht hatte ich minus 1 C, die zweite war nach einem Sandsturm und darauf
folgenden Schneesturm kälter mit minus 6 C. Sogar der See war etwas zugefroren.
Ansonsten schon entspannende Tage mit guter Akklimatisation fuer Westtibet. Dort
habe ich übrigens einen Japaner getroffen, der heute (grad kommt er in das
Internetcafe) nach Westtibet aufbricht. Er ist schon vier mal dort getrampt und
sagt, dass es nicht so schwierig ist. In Yecheng gibt es einen LKW- Platz, wo
man eine Mitfahrt gut organisieren kann und auf dem Weg bis Ali gab es die
letzten Jahre keine Checkposten. So hoffe ich, auch dieses Jahr nicht! Die
Polizei sei schon präsent, aber sage nichts, wenn man im LKW sitzen würde. Spätestens
nächsten Montag nach dem Sonntagsmarkt in Kashgar werde ich weiter fahren.
Aber erst einmal zum Weg nach Kashgar. Eine atemberaubende
Fahrt durch eine Schlucht, 2000 Höhenmeter hinunter in unglaublich steilem Gefälle.
Eine wunderbare Fahrt, nur die lauten Chinesen nervten wieder. Irgendwann öffnete
sich die Landschaft und es wurde heiß. Der Blick zurück war mächtig. Wir
hatten das Pamirgebirge verlassen. Noch zwei Stunden dauerte es bis Kashgar.
Kashgar selbst war in eine gelbe Dunstglocke aus Sand und Staub gehüllt. Die
Sonne ist in der Stadt nur ganz schwach zu sehen. Ich habe ein schönes Zimmer,
ein Dreibett- Room, in dem ich aber
bis jetzt allein sein kann (hoffentlich bleibt es so). Sogar die warme Dusche
funktioniert. Sogar die erste Wäsche ist schon getan.
Wie es jetzt weiter geht, ist ein wenig unklar. Natürlich
will ich mir die Stadt anschauen, aber ob ich bis zum Sonntagmarkt wirklich
bleibe, weiß ich nicht. Vielleicht will ich auch noch an die Wueste (Thaklamakan)
fuer zwei Tage, mal sehen was geschieht. Ich habe ein gutes Reisegefühl, immer
wieder treffe ich nette Leute, mit denen ich 'n Tag oder mehr umherziehe. Und
auf Tibet freue ich mich, denn dort gibt es weniger CHINESEN.
Das war’s erst mal. Alles Liebe, ich denke an Euch und
umarme Euch
(Vor meiner Abreise nach Westtibet gibt es noch einen kleinen
Brief!)
Jürgen
Bericht 5:
(zum Anfang)
26.5.2001
Hallo, ihr Lieben und Verwandten,
morgen geht es endlich los nach Tibet. das wird auch langsam
Zeit, denn nach 6 Tagen Kashgar habe ich langsam alles gesehen. Über meine
Route und Trampmöglichkeiten habe ich leider keine weiteren neuen Infos
erhalten, nur eben, dass es die letzten Jahre sehr einfach ging, dass zur Zeit
viele diese strecke nehmen (teuer) und dass es hinter Yecheng einen ort namens
Aba gibt, wo man abends gut mit den Lastwagenfahren verhandeln kann. ansonsten
bin ich aufgeregt und gespannt wie eine Bogensehne. Ich hoffe, das legt sich bis
morgen oder spätestens, wenn ich in Yecheng losfahre.
Aber vielleicht noch ein paar Worte zu Kashgar. Kashgar ist
eine schöne Stadt und damit meine ich die Altstadt, in der die Uyguren, die
moslemischen Ureinwohner leben. Auch Kashgar wurde erst nach dem krieg von den
Chinesen wiederrechtlich besetzt. Durch die Altstadt stromere ich gerne, schaue,
rede (mit Händen und Füßen), fotografiere und nehme Sounds auf. Die Menschen
sind hier sehr nett und interessiert. Sprachlich ist es hier etwas einfacher, da
uygurisch Ähnlichkeiten zum türkischen aufweist. Ansonsten besteht das neue
Kashgar aus breiten Straßen, bis zu sechs spuren, mit verhältnismäßig wenig
verkehr und aus Kachelbauten. Weiße Kacheln außen, was bei uns schon seit den
Siebzigern wieder out ist. Nachts gibt es kitschige Elektrofeuerwerke entlang
der Straßen. Mit den Chinesen habe ich mich etwas ausgesöhnt, nun ich sehe
auch eigentlich gar nicht so viele. Beim Essen und Trinken bin ich hier sehr
konstant. Ich habe ein gutes Cafe & Restaurant gefunden, das Oasis Cafe,
dort schmeckt es sehr gut, also gehe ich ständig nur dort hin. Es ist ähnlich
dem Tashi 1 & 2 in Lhasa, also sehr zu empfehlen. Nur am Tag in der Altstadt
vertilge ich gerne Momos. Leider gibt es sie hier nur mit Fleisch gefüllt, aber
sie sind super lecker.
China ist viel teurer als Pakistan und auch teurer als auf
der letzten Reise in 1999 (damals 4,7 Y jetzt 3,6 Y fuer eine DM, sind das schon
die folgen des € ?). mit Geld hatte ich gerade noch ein Problem. Mein Bargeld
hatte ich im Geldgürtel und den hatte ich mehrfach vom wandern total
durchgeschwitzt. So war das Geld jetzt zum teil schmutzig und so kann ich es
hier in Kashgar und wahrscheinlich in ganz China nicht tauschen. Die Banken
nehmen nur neue, ganz saubere Banknoten, ebenso der Schwarzmarkt. Netterweise
wird mir morgen ein Amerikaner 200 US $ tauschen, er geht außer Landes und kann
das Geld dann sofort wechseln. Bleiben nur die 200 DM, sie sind hier so viel
wert wie eine alte Zeitung. Vielleicht ja in Nepal, aber das ist noch lange hin.
Zum Müll haben Pakistan und China ein sehr einfaches Verhältnis. Etwas wird
gesammelt, der Rest einfach in die Natur geschmissen und Batterien auch mal im
Ofen mit verbrannt. Ein erschreckender Umgang, wenn wir unsere diversen Mülltrennungen
sehen. Ähnlich wird es wohl auch mit Industrieabfällen sein, warum sollte es
dort anders sein?
Meine Wüstentour ist leider gescheitert. Ich bin mit den
drei Schweizern bis nach Yarkand (Sache) gefahren, ca. 200 km. Dort haben wir
versucht, ein Taxi zu buchen, um in die Wüste zu gelangen, um dort eine nacht
zu übernachten. leider ist es dann an der Sprache und zu hohen Taxitarifen
gescheitert. schade, aber zu mindest habe ich die wüste, bzw. einige Sanddünen
gesehen - die Wüste muss also noch warten. Am Abend, wieder in Kashgar, saßen
wir insgesamt 8 h im Bus (uff).
Morgen früh gehe ich nun noch auf den berühmten
Sonntagsmarkt und gegen Mittag geht es dann los Richtung Yecheng. Eingekauft
habe ich soweit alles (oder werde es sogleich tun). Ich melde mich jetzt fuer
vier bis fünf Wochen ab!!! Ab der sechsten Woche dürft ihr spätestens mit
einer mail von mir rechnen (das müsste zu schaffen sein). Ich versuche, auch
aus Ali Rainer & Ute anzurufen, dann ist das gröbste geschafft und ihr
erhaltet von Rainer eine mail! (danke, Rainer) das kann aber auch schon in 14
Tagen sein.
Alles Liebe, drückt mir die Daumen
bis
bald Jürgen
Bericht 6: (zum Anfang)
31.5.2001
.....morgen früh gehe ich nun noch auf den berühmten
Sonntagsmarkt und gegen Mittag geht es dann los Richtung Yecheng. Eingekauft
habe ich soweit alles (oder werde es sogleich tun). Ich melde mich jetzt fuer
vier bis fünf Wochen ab!!! Ab der sechsten Woche dürft ihr spätestens mit
einer mail von mir rechnen (das müsste zu schaffen sein). Ich versuche, auch
aus Ali Rainer & Ute anzurufen, dann ist das gröbste geschafft und ihr
erhaltet von Rainer eine mail! (danke, Rainer) das kann aber auch schon in 14
Tagen sein.
So endete die letzte Mail von Jürgen am 26.05.2001. Und
schon heute morgen, nach 5 Tagen, gegen
7:oo Uhr MEZ bekamen wir einen Satellitenanruf von Jürgen aus Ali. Ute hat mit
ihm gesprochen: Es geht ihm "supergut".
Jürgen hat die ganze Strecke in einem Jeep zurückgelegt mit
Chinesen
zusammen, mit denen er sich außer mit Händen und Füßen
nicht verständigen konnte. (Hätte ich ja gerne Mäuschen gespielt und
zugesehen). Das Wetter soll nicht so einladend gewesen sein: 12 Grad Celsius
MINUS und Schneesturm. Glücklicherweise brauchte er bei diesem Wetter nicht im
Zelt übernachten, denn sie sind auch nachts mit dem Jeep weitergefahren, obwohl
man die Straße (wahrscheinlich Schotterpiste) nur erahnen konnte.
In Ali hat er eine
Strafe von ca. 100,- DM (glaube ich) gezahlt, die ihm
die Möglichkeit gibt, innerhalb von einem Monat (zurück)
nach Lhasa
zukommen. Als nächstes will er zum Kailash trampen.
Soweit der Kurzbericht von Jürgens Anruf. Genaueres wird er
zu einem
späteren Zeitpunkt kundtun.
Viele liebe Grüße im Auftrag von Jürgen an Euch alle
Rainer
(mein Schwager)
Bericht 7:
(zum Anfang)
13.6.2001
2904 km entfernt, 16 Tage später, 7 LKWs – Jeeps – Busse
später, keine Sprache reicher, dafür aber eine Umrundung (des Kailash), einen
durchfall später, nicht nur einen schneesturem klüger, aber um viele Bilder
reicher, einige schrecklich dreckige betten ohne Läuse überstanden, wieder den
Potala gesehen und eine stunde geduscht - maile ich euch, dass ich schon und
wohl auf in Lhasa angekommen bin.
mehr zu diesem ABENTEUER die nächsten tage über dieses
Medium Jürgen
15.6.2001
Hallo Freunde und
Verwandte,
gestern hatte ich schon zwei Seiten geschrieben und schön
auf Diskette gesichert und heute lassen sie sich nicht mehr öffnen. So'n
Schiett auch, also von vorne!
Ich war noch in Kashgar, als ich den letzten Bericht
geschrieben habe und an dem Sonntag, dem 27. Mai wollte ich auf den
Sonntagsmarkt. Das tat ich auch. Morgens gleich um 9 Peking Zeit. Der Markt ist
riesig und es gibt fast alles zu kaufen und die Menschen strömen aus allen
Gegenden und Richtungen herbei. Wahrscheinlich ist das Umland an dem Tag
leergefegt!
Diese Vielfalt ist faszinierend. Alle Straßen um das gebiet
sind überfüllt mit Menschen und Waren. Am außergewöhnlichsten fand ich die
gekochten Schafsköpfe, die es zu essen gab und natürlich die Männer die sie aßen,
sowie den Lebendtiermarkt. Alle Arten und Rassen von Tieren werden gehandelt:
Schweine, Schafe, Ziegen, Kühe, Pferde, Esel, Bullen(!). Und das Alles in einem
schönen Durcheinander, ich meine: Tiere, Verkäufer und Käufer, sowie die
vielen bunten Goretexjacken tragenden Gruppentouristen (obwohl das gar nicht nötig
war). Der Markt war
wirklich ein Erlebnis.
Danach bin ich dann zum Bus und auf nach Decheng, meine
ersten 300 km nach Lhasa. Meine Aufregung von den Tagen zuvor war nahezu
vergessen, sie ist der Spannung gewichen vor dem Unbekannten. Von Yecheng ging
es einfacher weiter als gedacht. Zwar gab es überall Polizei und so, aber
scheinbar interessierte sich niemand fuer mich. Ich fand leicht den Bus zum ort
Aba, dem Ausgangspunkt aller
Lkw-Fahrten nach Ali, dort packen sie und essen sie noch einmal. Aba liegt schon
auf der Strasse C219, welche mich bis Lhatse begleiten sollte, also 2141 km
weit. Aba lag bei km - Marker 6 (km-Stein). Ein paar Hütten am Straßenrand,
einige Restaurants, einige eher Werkstätten. Schon bald hatte ich Kontakt zu
Lkw- und Jeepfahrern. Die Frage lautete "Ali?" und entweder folgte ein
Nicken oder Kopfschütteln. Die Preise per Taschenrechner (sehr hilfreich)
angezeigt oder auf die hand oder Zettel geschrieben. Sie pendelten zwischen 300
und 800 Y. Scheinbar ging nur ein Lkw diesen Abend und später kam noch ein Jeep
in Begleitung von zwei Lkw hinzu. Preis jeweils 400 Y. die Lkw sind ca.
‚12tonner’ und meist mit kohle zum Heizen beladen. Letztlich entschied ich
mich fuer die gemütlichere Variante im Jeep. Ob das die bessere Entscheidung
war?
Neben zwei jungen Chinesinnen sitzend ging es abends um 10
Uhr los. Die letzten 50 km Asphalt waren schnell hinter uns. Schon im Dunkeln
ging es vorbei an den fackeln von Ölfördertürmen. die Straße stieg, die Zeit
verrann. morgens verließen wir bei dem ersten morgenlicht den ersten 5000'er
Pass und mir ging es gut! Noch einige km weiter und das Tal öffnete sich zu
einer kleinen Weite, in der Ferne die weisen Gipfel des Himalaya und Kunjerab.
Wir erreichten Mazar, km-Stein 239, Höhe 4600 m (und so bleibts). mazar ist
kein Ort, eher eine Kreuzung mit Holzbaracken, kleine Speisestuben. Wenn die
Chinesen hier auch im Winter leben, dann gute Nacht. Schon hier sollte die Suppe
doppelt so viel kosten wie in Kashgar. Nach 5 h Warten kamen endlich auch die
Lkw, sie hatten beide schwere Platte gehabt und ich war schon schwer genervt.
Sprachlich haute es auch überhaupt nicht hin. Ich kann kein chinesisch, alle
Chinesen kein Wort englisch, aber auch mit Zeichensprache ging nicht. Leider
sehr zum Nachteil von mir, denn manchmal raffte ich mich gerade durch, Essen zu
bestellen (in der Küche), als es weiter gehen sollte, nach vielleicht 4 Std.
Wartezeit. Ätzend, eine Sprache gar nicht zu können. Aber erst mal weiter von
Mazar. Durchs Tal nach Xaidulla. Übrigens kann man den Weg hier noch
Schotterstraße nennen. Das Wetter war noch brillant: Sonne und Wärme. Warten
und kein Essen in Xaidulla. Erst spät abends geht’s weiter bis km-Stein 487.
Essen und plötzlich auch schlafen. Wahrscheinlich, weil der nagelneue
Chinesenjeep repariert werden musste! Er verlor Bremsflüssigkeit! Morgens
war’s behoben und ich sah, das dieser Ort nur eine Lkw-Klause war, bzw.
mehrere.
Jetzt ging’s auf die Axai Chin! Der hochebene von 5200 m
und mehr. Traumhaft und einsam. Weite Schneeflächen, leichte Welligkeit. die
Axai Chin ist indisch, aber chinesisch besetzt. Es leben hier keine Menschen,
auch Tiere sind keine zu sehen. Wenn überhaupt Etwas, gibt’s nur mal eine
Versorgungshütte oder Zelt fuer Lkw's. Ach ja, später sah ich ein paar bunte
Enten - oder waren es Gänse (Dirk, ich hab ein Bild gemacht)? Als wir nach
einer Lunchpause aufbrachen und den nächsten Platten beseitigten, fing es an zu
schneien. Hier löste sich auch jede Strasse im Nichts auf. Auf einer breite von
100 m gab es Furchen von bis zu einem m Tiefe und jeder suchte sich seinen weg,
wo er glaubte, entlang zu kommen. Nur ab und zu sammelten sie sich ein wenig.
Dunkelheit, Kälte, Schneesturm, Eisblumen im Wagen, vielleicht
minus 12° C, und die drei höchsten Pässe der Fahrt vor uns! Immer
wieder steckten wir fest, der Jeep fiel aus, aber nur 10 mal diese nacht. Also
raus in den Schneesturm. Feststeckende Lkw, eigentlich am laufenden band. Mir
wurde Bange, Sicherheit war nur mein Schlafsack, der glücklicherweise im Jeep
war. Um 4 morgens hatte der Fahrer es irgendwie geschafft, wir waren an einer
Versorgungsstation, diese nannte sich Domar und war eigentlich sonst nur eine
Kaserne. Schlafen, im Auto, da sie mir fuer ein Lausbett 30 y abnehmen wollten
(wohl Touristenpreis). Morgens treffe ich drei Militärlaster wieder, sie haben
(oder hatten) lebende Tiere geladen. Unten Schweine, die sahen noch ganz gut
aus, aber oben, seit mindestens drei Tagen in der prallen sonne oder im Schnee Hühner.
Vielleicht die Hälfte vegetierte noch so vor sich hin, der Rest waren mit Dreck
und Kot beschmierte Federhaufen am boden oder in der Ecke. Furchtbar!!!!!!
Heute sollte es ohne Schwierigkeiten bis Ali gehen. Trotz
fehlender Strasse ging’s zuerst gut voran. Vorbei an schönen Seen und die
ersten Nomadenzelte erschienen. Dann der ort Rutok Xian, nein, ein Checkpoint -
kein ort. Er lag am Rand einer Ebene und der Fahrer will, das ich über die
Ebene gehe, während sie durch den Checkpoint fahren. Eine komische Idee, denn
man kann mich super gut sehen! Ich tu’s und wiederum scheint sich Niemand zu kümmern.
Auf der anderen Seite werde ich nach 1,5 Std. aufgesammelt.
Erst 80 km vor Ali (die Etappe war grad 250 km) versackte ein Lkw im
Wasserloch, 1 m tief. Diverse Versuche vom Jeep, 1 Lkw, 2 Lkw brachten außer
Zeitverlust nichts.
Erst gegen 22 Uhr gaben sie auf und
fuhren weiter nach Ali. Der Lkw sollte wohl morgens geborgen werden. Ali um 2
morgens, ein super Erlebnis. Trotz Tibet nur Chinesen auf der Strasse und keiner
versteht meinen Wunsch nach einem Hotel. Ich laufe auf und ab und ich finde
keines (alles chinesische Schriftzeichen). Irgendwann kann mir doch noch jemand
helfen. Ich klopfe, eine Frau kommt, ich gebe Zeichen, dass ich hier schlafen möchte.
MINDU - nein! Sie seien ausgebucht, ich glaube nicht und dränge mich ins Foyer
und bedeute, mich dort hinzulegen. Keine Reaktion, also tue ich es. Wenigstens
ein paar Stunden Schlaf.
Morgens erfahre ich, dass sie
wirklich ausgebucht waren. Eine australische Reisegruppe spendiert mir Porridge
(!) und ich ese es mit Gehnuss(!!!!). Ali heißt psb - Polizei. Das
Permit zur Weiterreise wird mit 100 DM erkauft. Nächsten Morgen soll’s weiter
gehen. Um 6 Uhr stehe ich am Ortsausgang, jetzt in einer Gruppe, die schon Tage
hier auf einen lift wartet. Meine Sternschnuppe hat mir geholfen, schon
bald hält ein Lkw nach Darchen (Kailash). Auf der Ladefläche nehmen wir Platz,
es geht 330 km weit. Nach dem ersten Pass erreichen wir den Indus und fahren ihn
herauf bis zu seinen Quellen. Die Hitze brennt und verbrennt, und der staub
nimmt zu. Ewig fahren wir mit nur wenigen Pausen. Erst gegen 22 Uhr erreichen
wir Darchen, nach einer kleinen Erpressung des Fahrers. Er wollte erst den nächsten
Tag in Darchen einfahren. Wir zeigten ihm,
dass er dann kein Geld bekommen würde, also fuhr er weiter. Darchen, schon ein
ort, aber Touri-Nepp und ekelhaft. Man sollte ihn sofort wieder verlassen,
einfach furchtbar.
Gleich morgens, na ja, mittags - nach einer schönen Mahlzeit
wanderten wir los. Immer noch 4 Iren, 1 Amerikanerin und ich. Es ging los um die
Kora des Kailash oder Kara Rinpoche, wie die Tibeter ihn nennen.
Den ersten Tag nur 3 Std., da uns ein Gewitter überraschte. Morgens weiter,
Wolken, keine Sicht auf den Kailash und wieder Schnee und Regen. Ich wanderte
vor bis zum Tagesziel. Die Iren wurden mir zu langsam. Am Tagesziel, Kloster Dira-Puk
zelten mit 4 Reisegruppen. Es gab unzählige Reisegruppen hier, wohl deshalb,
weil das Fest Saga-Dawa bevorstand. Alle wollen dort hin! Morgens
früh um 8 gehe ich allein weiter auf die Strecke rauf zum Droelma La -
5660 m. Schwer atmend stapfe ich durch den frischen Schnee, später durch den
ewigen Schnee auf die Höhe. Der Pass ist umwerfend. Ich verbringe 2 h dort. Er
wird so sehr von den Tibetern geehrt: Niederwerfungen, Gebetsfahnen,
Umrundungen, Gebete, und Alles wiederholen. Ich bin beeindruckt. Bergab, endlich
wieder ein Tal. Als der Schnee wieder einzusetzen droht, baue ich schnell mein
Zelt auf und verweile bis zum morgen in einem schönen, hier schon wieder grünen
Tal. Morgen nach einer Stunde am dritten Kloster, dem Zutul-Puk und nach 4 h bin
ich in Darchen. Ich verlasse es bald, nach Essen und Einkäufen, wieder zum
Saga-Dawa Festplatz. 2 h um die kora. Dort gibt es am Festplatz unzählige
tibetische Zelte und Tibeter (obwohl es eigentlich viel mehr sein sollten,
Staatsmacht China hat viel Pilger aus Cham und Amdo die Anreise verweigert. So
bleiben es diesmal viel weniger als sonst. Auch Tourgruppen hat China teilweise
gesperrt, ebenso Einreisende über Purang. Etwas unterhalb lag der Fluss und an
ihm die wohl 40 Reisegruppen, die zum Fest wollten.
Zum Glück waren am Festtag die Tibeter dann doch noch in Überzahl!
Bei Saga-Dawa geht es um Sakiamunis Erleuchtung, dazu wird am Kailash ein
wohl 30 m hoher Pfahl aufgestellt. Eine Prozedur von 4 Std., seine spätere
Stellung zum Kailash sagt viel über das kommende Jahr aus (nur wirklich gerade
ist sehr gut). Alles glückt und er steht - nicht ganz gerade! Am Platz gab es
auch einen Luftbeerdigungsort, am Tag zuvor gab es dort eine Beerdigung und
angeblich waren auch Westler gern gesehen. Am Vorabend war ich noch auf den
platz gegangen. viele Pilger erwiesen dort ihre Ehre dem Toten (?), bzw. den Überresten.
Der Platz war übersäht mit Kleidung und in der Mitten lag noch die zerteilte
Leiche, sie war bis dahin noch nicht ganz von den Geiern verzehrt. Fuer die
Tibeter ein normaler Anblick. Sie schauten genau hin, wie's gemacht war, oder
so. Einige wälzten sich neben den Resten auf den Steinen. Mich hat’s nicht
schockiert, aber es war schon sehr komisch. Zurück nach Darchen und noch am
gleichen tag weiter zum See Manasarova. GLUECK!!!!
Spät abends zelte ich am See, an der Frau des Kailash, wie
die Tibeter glauben. Ein bezauberndes blau! Am nächsten Tag schaue ich mir das Chiu
Kloster an (nicht viel zu sehen, als der super Blick auf den See und endlich
wieder einen blick auf den Kailash). Dann gehe ich ins Dorf, um in einer heißen
Quelle zu baden. Eine Wohltat! Und um meine schon verkrusteten Socken zu waschen
- eine wirklich gute tat, wie ich abends riechen kann! Im Dorf sind viele Inder,
wohl 60, auch fuer sie sind Kailash und Manasarova heilig. Sie halten eine
dreitalgige Puja (Gebetszeremonie) ab. Ein buntes Fest, an dem jeder
teilnehmen darf. Sie sind alle gut drauf und feiern ihren See und Berg
ausgelassen. Auch Fotos und Thonaufzeichnungen sind erlaubt. Nachts bekomme ich
Magenkrämpfe und Durchfall. Ich zwänge mir noch 'n Müsli rein. Trotzdem
wandere ich los – etwa ¼ um den See. Zuerst geht es sich gut. Ein schöner
Ausblick. Auch die jetzt 33 kg Vollgepäck sind erträglich. Eine Abkürzung
erweist sich als Trugschluss, letztlich dauert sie 2 ½ h und ich bin danach
total fertig. Ein kleines Kloster versorgt mich mit Wasser und Tsampa.
Essen, Trinken, Schlafen. Erst 2 Stunden später kann ich mich aufraffen. Ich
muss zur Strasse durch brennendes Feuer vom Himmel, eine Qual mit 4 Pausen zum
hinhocken, usw., Ihr wisst schon ...
Ins Dorf Hor Qu werde ich schnell mitgenommen. Im Bett
des Guesthouse, in dem ich sofort liege, bekomme ich Schüttelfrost. Das geht
die ganze Nacht so. Halbschlaf, Delirium und zum "Scheißen" krabbeln.
Erst am späten Morgen geht’s mir etwas besser, ich nehme Giardiamittel, später
esse ich bei den Kirgisen auch etwas im Zelt (Reis). Diesen Tag versuchte ich
noch zu trampen, aber ohne Erfolg. Am nächsten Morgen entdeckte ich eine
indische Reisegruppe im Dorf und sie nahmen mich, in der Kabine eines Lkw, mit.
SUPER, und gutes essen in Garantie (Chapatie, Curry, Milchtee, ..). Weiterhin
konnten wir nur 200 - 300 km pro tag schaffen, aber sie waren bemüht, da ihre
Visa ausliefen. Das kam mir sehr Recht! Ich wollte raus, noch 1300 km bis Lhasa,
ab jetzt wurde nur noch gefahren. Nach einer schönen Übernachtung im
Freien (Zeltaufbau 23 Uhr und dann Essen kochen - ein super gut
organisiertes Team) ging’s dann bis Saga (kn-Stein 1847). Eine Kaserne mit
tibetischem und chinesischem Anhang an Restaurants und guesthouses. Hier
verließen mich die Inder auf dem Weg nach Kathmandu.
Am Nachmittag ging nichts mehr, also quartierte ich mich irgendwo ein und
ging bummeln, Tee trinken, essen und Tagebuch schreiben. Ein Gewitter braute
sich zusammen und entlud sich verheerend. Irgendwann trafen auch 2 der Iren hier
ein.
Noch nachts hatten wir einen lift nach Lhasa, im Jeep,
zwar etwas teuer (200 Y) aber bequem. Weiter ging es durch die Täler des
Westens. immer entlang der weißen Gipfel vom Himalaya und Transhimalaya.
Zwischendrin gab’s sogar Sandwüsten und Sanddünen, entweder wie in der Wüste
oder wie an der Nordsee auf Amrum, wenn man das Drumherum vergisst. Nach 2000 km
endlich geht’s bergab und wir sehen den ersten Baum wieder!!!!!!!!!!!! Aber
wir sind immer noch auf 4100 m Höhe. Der Rest ist fahren und schon bekannt von
vor 2 Jahren. Eine Verbesserung habe ich noch, es sind nicht 2904 km sondern
2959 km von Kashgar nach Lhasa, denn ich bin ja auch ein paar Meter gewandert!
In Lhasa bin ich jetzt wieder im Pentoc hotel, nach einem Abhängtag
geht es mir heute wieder recht gut und bin munter am schauen und herum laufen
und am ‚internetten’ (jetzt schon drei Stunden). Meine geplante große
Wanderung werde ich nicht mehr schaffen, dafür wird es Montag von Ganden
nach Samye (zwei Klöster) gehen und zwar zu Fuß (vom Einen zum Andern).
Eine Drei-Tage-Wanderung. Natürlich traf ich hier sofort EVA. Wir konnten nett
plaudern. Sie lebt jetzt hier und ist mit einem Chinesen verheiratet. Ach ja ...
und Nepal. Ich sehe in meiner reise nach Nepal keine große Gefahr mehr. Erstens
ist sie erst in drei Wochen, zweitens reisen ständig Leute von hier ab nach
Kathmandu und es ist nichts negatives darüber zu hören (die Reiseunternehmen
stehen in Kontakt mit Kathmandu).
Hier mache ich erst mal Schluss, es reicht!!!!! Und ich will
lieber gleich absenden, bevor mir noch ein Malheur passiert. Über Lhasa mehr im
nächsten Brief.
liebe
Grüße
Jürgen
Bericht
8: (zum Anfang)
22.6.2001
Hallo Freunde und Verwandte
Seit gestern bin ich wieder in Lhasa, zurück von meiner
Wanderung vom Kloster Ganden zum Kloster Samye. Es war ein kleines Abenteuer und
ein Abchecken meiner Grenzen, ansonsten war es eine wunderschöne Zeit. Montag
morgen um 6.30 AM in den Bus, um 9 AM war ich dann auch schon in Ganden. Da ich
das Kloster schon kannte von vor 2 Jahren, wollte ich gleich loswandern. Gesagt
getan. Die ersten 1 ½ h ging’s noch leicht bergauf, mit wunderbarem Blick auf
das Kloster. Dann erst mal wieder 800 m runter, das war auch immer noch
wunderschön. Als ich den Ort HEPU und auch die bissigen Hunde ohne Verletzung
hinter mir gelassen habe (diese Hunde sind halbwilde Hunde, die auf Westler
besonders scharf und furchteinflößend sind) machte ich vor dem langen Aufstieg
erst mal Pause. Die nächsten Stunden führten mich schon an wunderschön blühenden
Blumen vorbei, sowieso ist das Tal schön grün. Aber stetig ging’s weiter
bergauf, nicht steil, aber ohne Pause. Insgesamt wohl um 1400 m auf 5210 Meter; Sug-La
(La=Pass) genannt. Meine Pausen wurden immer häufiger! Endlich hatte ich die
Nomadenzelte erreicht. Jede Vorsicht und Abstand nicht genug bellend, zähnefletschende
Hunde, leider nicht angeleint, kamen auf mich zu. Steine und Wanderstock meine
Waffe. Ich war wirklich bereit sie mit dem Metallstock aufzupieken, ich hoffte
nur, es auch zu schaffen so schlapp wie ich war. Glücklicherweise brauchte ich
es nicht! Ein Nomade kam zur Hilfe und bewarf die Hunde (übrigens zwei) mir
Jackmist und das half. Jetzt brauchte ich nur noch an weiteren 3 angebundenen
dieser Gattung vorbei (die Seile hielten). Die Zelte stehen so im Abstand von
100 m voneinander. Die Tiere sind mit den älteren männlichen Kindern und Männern
irgendwo auf den weiten des Tales verteilt. Meine Gehrhythmus hatte sich schon
deutlich verlangsamt. Vielleicht 40 kurze Schritte konnte ich noch ohne Pause
machen, dann blieb ich einfach stehen - bei gleicher Atemfrequenz, wohlbemerkt.
Vielleicht einem Staubsauger gleich, oder, nein auf jeden Fall auf Meereshöhe
absolut in der Hyperventilation, schon lange hätte ich meine verkrampften Hände!
Irgendwo auf 4900 m habe ich aufgegeben und ein Notlager zwischen Hügeln,
Steinen, Büschen und Jackmist aufgebaut. Essen und schlafen! Nach 2 h wurde ich
dann von einem Gewitter geweckt, wieder ein Höhengewitter, ich konnte also
genießen. Der Hagel lag nach 20 min wohl 5 cm hoch neben dem Zelt. Scheinbar
ist das Wetter so wechselhaft dieses Jahr. Am nächsten Tag fühlte ich mich
viel besser und ich konnte beide 5000'er leicht schaffen. Ich kann leider nicht
sagen, was das am Vortag war? Vielleicht eine so schnelle de- Akklimatisation?
Kann ich mir aber auch nicht vorstellen!
Zwischen den Pässen war eine superschöne Schlucht mit Fluss
und vielen Weiden. Hinter dem zweiten Pass, dem Chitu-La (5100 m) wurde
es dann supertoll. Zuerst kam ich an zwei Seen vorbei, dann ging’s in einer
Schlucht erst einmal sehr steil bergab. In einer Stunde verlor ich wohl 500 m.
Leider waren zu diesem Zeitpunkt auch meine Schuhe schon recht lädiert. Am
rechten waren nicht nur die Stosskanten alle lose, sondern vorne um die Zehen löste
sich das komplette Leder, so dass ich halb herausschluppte. Zum Glück ging es
nur noch bergab und wohl deshalb auch meine letzte Wanderung in Tibet. Aber zurück
zur Schlucht. Als sie wieder breiter wurde kamen Büsche, Blumen und Rosen
hinzu. Alles war grün und blühte. Es sind keine Zuchtrosen, aber sie blühen
trotzdem wunderschön. Es roch nach so vielen Kräutern! Der Fluss wurde auch
immer breiter, eine Einmündung konnte ich grad’ noch trockenen Fußes überqueren.
Erst nach einem weiteren Fluss, diesmal mit Brücke, zeltete ich wieder. Auch
die Etappe fuer den nächsten Tag, bis fast nach Samye, war damit nicht mehr so
lang. Meinen rechten Schuh habe ich mit einem kleine Tau wieder zusammengebunden
und mehrfach gesichert. Ich hoffe nur, dass es halten wird. Der übliche nächtliche
Regen war bis zum Morgen vergangen. 6.30 AM Frühstück (ich wache von selbst
auf), 8.00 AM loswandern. Diesmal durch einen Wald. Bis zu 6 m hohe Bäume und
Sträucher. Viele Rhododendron (leider blühten er nicht mehr). Es soll hier 15
Baumarten geben. Ein tolles Gefühl auf wohl 4000 m Höhe und so anders als die
Gerölleinöden und Wüsten (wie auch bei Samye in 4 h!). Der Wald lichtet sich,
die erste Steinsiedlung nennt sich Changtang, wie die Weiten Westtibets
und deren Nomaden. Ebenso sind die Bewohner und lassen sich nicht blicken, nur
die Hunde bellen und geifern mir an ihren Ketten und Seilen nach. Die Yamalung
Eremitage, gute 50 Minuten über mir, lasse ich wegen meiner kaputten Schuhe
rechts oben liegen. Hier soll Guru Rinpoche lange meditiert haben und
Erleuchtung vom Langleben Buddha Amitayus bekommen haben. Hier ist der Wald
schon gegangen. Das Tal wird breiter und Landwirtschaft mit Bewässerung setzt
ein. Im Ort Nyango sehen ich eine Weile zu, wie eine riesige Gebetstrommel mit
gesegneten Gütern gefüllt wird. Sie steht in einem extra Haus und wird per
Wasserkraft gedreht. Es wird wohl eine Tonne gesegnetes Papier hineingefüllt.
Das untere Lager ist übrigens schon ein modernes Kugellager.
Später sehe ich noch eine Gruppe Mönche, wohl 40 an der
Zahl, die den bis dahin Wunderschönen Tag zu einem Waschausflug genutzt haben.
Jedoch setzte ein Sturm mit Regen ein. Ich ging weiter, getrieben vom Sturm, der
Regen erreichte mich zum Glück nicht so recht. Das nächste Lager schlug ich
dann an einer Wassermühle auf. Über einen Kanal aus Erde und Stein in 2 Metern
Höhe wurde das Wasser zur Mühle gleitet. Es wird natürlich Tsampa gemahlen,
geroestet Gerste (ist übrigens als Korn wirklich lecker). Mein Zelt steht
zwischen riesigen Korbweiden auf einem Stück Rasen! Schöner Platz und wieder
Regen. Erst morgens hört er wieder auf. Jetzt sah ich auch, warum das obere Tal
so grün war. Dort schüttete es immer noch, aber die Wolken zogen weg von mir
und Samye. Nach einer ½ h war ich im Kloster, die Polizei (PSB) war zum Glück
nicht dort zur Permitkontrolle und kam auch nicht mehr. Deshalb habe ich auch
noch einmal kurz vor Samye übernachtet. Aber leider fing es wieder an, zu
regnen. Samye ist das älteste (erhaltene) Kloster Tibets, es wurde wohl um 770
nach Christi gegründet. In ihm entschied sich auch die Debatte, welcher, der
Chinesische oder Indische Buddhismus sich in Tibet durchsetzten soll. Man
entschied sich damals fuer den Indischen! Das Haupthaus ist dreistöckig. Unten
fand um 9.00 AM immer noch die Morgenpudja statt. Ein wunderbares Gebäude
aus Holz und Lehm. Ansonsten gibt es noch ein paar weitere kleinere
"Kapellen", in denen schöne Figuren stehen (die ich freundlicherweise
mit Erlaubnis der Mönche auch fotografieren durfte).
Nach einer kurzen Busfahrt von cirka 30 Minuten wurde 1-stündig
in einem Holzboot mit kleinem Dieselmotor über den Yarlung Tsangpo (Bramaputra)
übergesetzt. Eine Fahrt zwischen Sandbänken hindurch. Um 3.00 PM war ich dann
endlich in Lhasa und hatte mein Zimmer wieder bezogen. Jetzt habe ich wohl noch
9 Tage in Lhasa, dann werde ich langsam nach Kathmandu aufbrechen (mein Zimmer
dort ist schon reserviert).
Gestern war Sommersondenwende und wohl auch Neumond wie ich
verstanden habe und im Jokhang gab es unzählige Pilger - auf der kleinen
äußeren und inneren Kora. Später bei der Pudja - diese soll übrigens
besondere Kraft haben - standen sie in einer langen Schlange (150 m) an, um eine
Segnung von Sakyamuni zu bekommen. Mich wunderte bei dieser Pudja, dass die Mönche
ständig Geld von anderen Mönchen bekommen haben. Es wurde regelrecht
ausgeteilt, neben dem ganzen Geld, welches die Pilger gaben.
Heute morgen regnete es wieder. Trotzdem - ich wollte
aufstehen und zu einem Tibetischen Arzt (Prof.) gehen. Eine spannende
Angelegenheit. Puls fühlen, mit beiden Händen und jeweils allen Fingern
einzeln, Hände anschauen, Augen anschauen und Urin schütteln und betrachten.
Der Arzt konnte nichts Organisches bei mir feststellen. Er sagte aber, dass ich
zu Rheuma neigen werde und ich Zucker und Süßes meiden soll. Und das alles
fuer 30 Y, mit einer weiteren Spende von mir zahlte ich schließlich 15 DM fuer
den Besuch. Dann hatte es auch weitestgehend aufgehört zu regnen. Ich stolperte
in ein kleines Kloster hinter dem Jokhang, dem Meru Nyingba Kloster. Hier
fand eine besondere Morgenpudja zu Ehren von Avalokiteschvara oder Chenresig
(der Dalai Lama ist eine Reinkarnation Chenresigs) statt. Die Gebet drehen sich
im weitesten um "om mani padme hum". Besonders war nicht die
Anzahl der Mönche, sondern der vielen alten Menschen. Hunderte waren dort, in
und außerhalb des Klosters. Die Gebete wurden überall hin mit Lautsprechern übertragen.
Alle hatten sie ihre Gebetstrommel in der Hand und drehten und beteten - über
Stunden, wohlgemerkt. Als Beigabe gab es Buttertee fuer alle umsonst, wovon
reichlich Gebrauch gemacht wurde - und morgen sicherlich wieder gemacht wird.
Wohl eine tibetische Form von Armenküche, denn die Alten, die nicht mehr
arbeiten können, sind die Armen hier!
Mal sehen, was die nächsten Tage bringen. Nur, in Lhasa möchte
ich nicht bleiben. Vielleicht sollte ich versuchen, meine Schuhe notdürftig
reparieren zu lassen. Da das Leder ausgerissen ist, wird sich kein deutscher
Schuster mehr daran versuchen wollen. Ach ja: nach 54 Tagen habe ich 30 Minuten
damit zugebracht, Haare aus dem Gesicht zu entfernen. Eigentlich wollte ich Euch
'n bisschen überraschen, aber ich hatte einfach die Nase voll davon.
Liebe
Grüße aus Lhasa
Jürgen
Bericht
9: (zum Anfang)
29.6.2001
Yahoo spinnt gerade rum, es kann sein, dass ihr diese mail häufiger
bekommen habt – sorry! Ich weiß wirklich nicht, ob ihr diese mail schon
bekommen habt - ansonsten bitte löschen!
Hallo, liebe Freunde und Verwandte
Lhasa ist in Aufruhr. So kann es einem vorkommen, wenn man
bei Gesprächen näher hinhört und die Augen aufsperrt. Natürlich sind nicht
die Tibeter oder Touristen in Aufruhr, sondern die Chinesen und von denen auch
nur die OFFIZIELLEN. Es stehen Feierlichkeiten bevor: der 80'ste Geburtstag der
KP Chinas am 1. Juli, der (zu Feiern verbotene) Geburtstag des Dalai Lama am
6.Juli und im August die offiziellen Feierlichkeiten zum 50'sten BEFREIUNGSTAG
Tibets. Dazu gibt es hier viel mehr und vor allem zivile PSB Beamte (Polizei)
und Festnamen und Razzien. Wenn es zur Zeit Schwierigkeiten zwischen Touristen
und Tibetern gibt (z.B. im Hotel, oder so), dann werden die Tibeter sofort
verhaftet und bekommen gesagt, "geredet wird Ede August" (nach den
Feierlichkeiten), bis dahin bleiben sie arrestiert. Deshalb haben alle
tbetischen Einrichtungen ‚schiss’, etwas falsch zu machen, im Besonderen,
wenn es mit Westlern zusammenhängt (z. B.: Fotos von Westlern im Restaurant
aufzuhängen, oder Indianer (nativ americans) in ihrem Club Schautanzen
zu lassen). Außerdem gab es eine öffentliche Zurschaustellung von
Todeskandidaten und natürlich deren am selben Tag stattfindende Erschießung.
Dazu gab es wohl zwei Militärzüge mit jeweils wohl 40 Polizeiwagen, 3 voll
besetzten LKW mit Soldaten und schwerer MG auf dem Dach und die LKW mit den
Todeskandidaten (einmal 3, einmal 4 und einmal wohl 35 [bei diesen könnte es
fraglich sein ob sie alle Hingerichtet wurden, eher scheint es eine
abschreckende Zurschaustellung von Straftätern zu sein]). Alle gefesselt zur
Strasse blickend und gedemütigt. Links und rechts jeweils ein Soldat. Später
werden sie noch mit Ihren Taten im Fernsehen präsentiert. Die Chinesen nennen
das Abschreckung, in Tibet war die Todesstrafe früher abgeschafft (Tibeter
verstehen es als Affront gegen sich) und ich bin schockiert und fassungslos
(habe es selbst im Fernsehen gesehen, von den Konvois wurde mir nur berichtet).
Apropos Fernsehen, dort wurden abends, und auch dass ist üblich, die
Todeskandidaten mit ihren Straftaten vorgeführt. Den Abend wurden eben 4
gezeigt. Zur Zeit soll eine regelrechte Hinrichtungskampagne in China laufen.
Aus allen Teilen berichten Touristen von diesen Zügen. Offizielle Zahlen gibt
es nicht. Vor ein paar Jahren sollen es mehr als 2000 (jährlich) gewesen sein.
Bush lebe hoch, eben hier die KP Chinas. Außerdem kursiert ein Gerücht, dass
die Einreise von Touristen nach Tibet fuer einen Monat, oder so verboten werden
soll, eben wegen dieser Feierlichkeiten im August und den wohl zu erwartenden
Unruhen, an denen wieder keine Ausländer teilnehmen sollen!!!!!
Jetzt wurde auch erlassen, das alle Häuser und Hotels die
Chinaflagge zu hissen haben. Der Hotelbetreiber erzählte, dies sei
verpflichtend und könnte bei Missachtung mit erheblichen Strafen, oder
Lizenzentzug geahndet werden. Auch von anderen Übergriffen kann hier täglich
berichtet werden: einem Taxifahrer wurde in Anwesenheit seiner Passagieren von
einem Polizisten erst seine Autoschlüssel entwendet, später das ganze Auto
(ohne Ihn). Oder, ein Tibeter wird von zweien festgehalten und ein MOENCH schlägt
ihn zusammen. Es hilft ihm natürlich keiner, kein Chinese, kein Polizist, ....
Solche Geschichten sind immer mal wieder zu hören. Dies ist die dunkle
Seite Lhasa’s, sie ist schockierend und lässt mich gerne hier abreisen. Verändern
kann man an dieser Situation leider gar nichts!
Aber es gibt auch noch andere Dinge zu berichten: zum
Beispiel eben von den Indianern. Eine Woche waren 3 Indianer aus Nordamerika im
Pentoc Hotel. Sie haben teilweise verblüffende Ähnlichkeiten mit den Tibetern
(in Aussehen, Tanz und Sprache). Insbesondere die Hopi sind dafür
bekannt. Einen Nachtmittag konnte ich bei einer Tanzvorführung zusehen.
Wirklich wunderbar und schön anzuschauen. Fuer mich war es das erste Mal,
Indianer live tanzen zu sehen, so vollkommen in ihrer traditionellen Kleidung.
Und das, fast einen halben Erdball von ihrer und meiner Heimat entfernt. Es
sollte ursprünglich ein richtiger Kulturaustausch werden, den mein Hotel zu
organisieren versuchte, aber auch hier spielten die Chinesen nicht so einfach
mit. Also kamen die ‚Natives’ eben Privat angereist.
Unter anderem habe ich mir auch das Kloster Nechung angeschaut,
in dem das Staatsorakel zu Hause ist (die Manifestation des Orakels lebt ja auch
in Indien). Ein Mönch, den ich aus '99 kenne, zeigte mir das Kloster und erzählte
mir die Geschichte, wie das Orakel nach Lhasa kam. Wohl um das 7'te oder 8'te
Jahrhundert kamen Lamas aus Samye und fanden, dass der neue Buddhistische Staat
ein Orakel bräuchte. Dazu wollte man ein Orakel aus Barkha-Ho (Nähe
Mongolei) hierher holen. Gesagt getan. Dann sollte fuer das Orakel ein Kloster
gebaut werden. Die Lamas entschieden sich fuer den Osten von Lhasa. Als das
Orakel dann in Lhasa ankam und von dem Ort erfuhr, war es strikt dagegen. Es sei
der falsche Ort, gab es von sich. Die Lamas kümmerten sich nicht darum und
bauten. Die Inkarnation starb und eine neue wurde gefunden. Ohne das Wissen der
Lamas half diese Inkarnation als Kind beim Bau des Klosters. Um die prophezeiten
Gefahren des Orakels zu mindern empfahl der (ich glaube schon) Dalai Lama, dass
keine Feuerfarben (gelb + rot) in dem Kloster verwendet werden dürften. Dies
wurde auch strikt befolgt. Die Arbeitenden freuten sich so über die Hilfe des
Jungen, dass sie ihm ein Wunschbild frei gaben. Er wählte einen kleinen Affen.
Da vergaßen die Arbeitenden das Verbot und malten einen Affen und verwendeten
auch Gelb! Das Kloster brannte sofort ab. Da war ihnen klar, dass der Junge das
neue Orakel war. Alle vom Kind und dem Orakel verbleibenden Dinge wurde in eine
Kiste gepackt und verschlossen und in den Lhasafluss geworfen. Als der Dalai
Lama davon erfuhr, schickte er zwei Mönche zum Fluss, diese Kiste zu bergen.
Sie hatten die strickte Anweisung die Kiste nicht zu öffnen! Als sie die Kiste
fanden, nahmen sie diese und zerrten sie nach Drepung, dem damaligen Sitz des
Dalai Lama. Die Kiste war aber zu schwer und sie wollten sich die Arbeit wohl
leichter machen. Sie öffneten die Kiste und mit einem Windstoss flog ein
wichtiges Stück Stoff aus der Kiste davon und blieb in einem Baum hängen.
Damit war das Orakel aus der Kiste entkommen und lebte jetzt in dem Baum, der
sogar noch heute steht. In dem Baum lebt der Geist des Orakels. Um den Baum
wurde zuerst eine Kapelle gebaut, später wuchs daraus das Kloster Nechung (in
dem ich mich gerade befand)! Leider wurde der Baum in der Kulturrevolution abgesägt.
heute existiert nur noch der baumstumpf und Holz von ihm, aber immer noch an dem
alten Platz. So fand das Orakel seinen Platz zum "Leben". Aufgrund
dieser Geschichte befragte man das Orakel vor wichtigen Staatsentscheidungen
nach seiner Meinung.
So, dass war’s auch mit den Geschichten aus Lhasa.
Meine Tage sind hier gezählt, die Woche ging sehr schnell
vorbei. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge verlasse ich die Stadt. Ich
werde versuchen von der großen Yarlung Tsangpo Brücke aus nach Gyantze zu
trampen. Dann komme ich auch an dem herrlichen Yamdrock Tso (Skorpionsee)
vorbei. Sollte es jedoch wieder einmal zu sehr regnen, werde ich direkt Shigatze
und später Kathmandu ansteuern. Auf jeden Fall möchte ich vor den KP - Feiern
Lhasa verlassen.
In Kathmandu werde ich noch ein wenig genießen und einkaufen
und danach auch gerne nach Hause kommen.
liebe
Grüße, ich umarme euch
Jürgen
Bericht
10: (zum Anfang)
6.7.2001
Hallo ihr lieben alle,
soll ich sagen: endlich in Kathmandu
oder: die letzten 50 m China haben mich noch geschafft?
Leider stimmen beide Sätze. Auf dem Weg runter vom Grenzort Zhangmu
nach Kodari musste ich einige Landslides umgehen und Shortcuts
nutzen. Auf den letzten 50 m bergab, schon sehr flach ist es dann passiert. Ich
rutschte aus und setzte mich auf meinen rechten Fuß und Unteerschenkel. Das Fußgelenk
ist vollkommen verrenkt. Zuerst dachte ich an einen einfachen oder gar den Bruch
beider Unterschenkelknochen, aber, Glück im Unglück: Beides nicht, ich ließ
jetzt Aufnahmen machen. Die schmerzen waren höllisch, trotzdem ich musste ja
runter. Meine Rucksäcke nahmen andere Leute und ich kroch bergab. Jetzt ist der
Fuss und sein Gelenk doppelt so dick wie üblich und schon tiefblau.
So 100 Meter sind fuer mich gut möglich, alles weitere mache
ich per Taxi und TucTuc. Ich werde wohl in Deutschland noch mal prüfen
lassen, was so die Bänder machen. Die Anzahl der funktionsfähigen könnte sich
verringert haben. Ich hoffe, dass alles wieder wird.
Von Kodari bin ich deshalb auch noch den gleichen Abend mit
einem Taxi nach Kathmandu gefahren und glücklich bei Doma Lama im Haus
Namaste angekommen. Wieder habe ich das schöne Zimmer mit blick auf den Monkeytempel
und Balkon!
vielleicht war es ja auch Vorsehung, gleich nach Kathmandu zu
fahren, denn später fing es so fürchterlich an zu regnen, dass es sicherlich
einige neue Erdrutsche hinter Kodari gegeben hat und damit normalerweise
verbunden wären auch tage des Wartens auf das wegräumen dergleichen. Das
Wetter hier ist schwülwarm bis heiß! Selbst ein wenig normaler Monsunregen
bringt keine rechte Abkühlung.
Ich lasse es ruhig angehen und lege viel den Fuß hoch.
Einmal pro Tag muss ich jedoch einfach in die Stadt, sosehr reizt sie
mich.
Aber erst mal mehr noch von Tibet und dem Rückweg. Lhasa
habe ich wirklich am Samstag verlassen. Der Start war schon wieder ein phars. Um
7.15 AM saß ich im Bus nach Gonkar. Er fährt am Barkor los, so gegen 8
AM war er voll, gegen 8.30, oder war’s noch später, fuhr er an. Nicht die schöne,
breite, einfache Strasse entlang, sondern der Fahrer drehte und musste durch die
superengen Gassen hindurch. Verbunden mit Hupen, Warten, Rangieren und viel
Zeit. Dann auf die große Strasse einbiegend ging’s leider in die falsche
Richtung. Auf Nachfragen erfahre ich, zum Ticketschalter. Anstehen und drängeln
vor einem engen loch, dem Tickätschalter. Jedes Ticket wird dreifach durchgeschrieben,
die Blaupausen einzeln eingelegt. Alles dauert seine Zeit! Endlich genügend
gedrängelt, erfasse ich die Chance und fülle mit Kopf und Oberkörper das
ganze Loch und bin bereit, mein Ticket zu kaufen. Mir wird bedeutet »nicht fuer
mich« ich soll im Bus warten (zum Glück werde ich mitgenommen). Wieder im Bus
sitzend, kommt erst der Busfahrer die Tickets kontrollieren, dann eine Dame aus
dem Ticketschalter, sie zählt die Fahrgäste. Die nach ihrer Zählung fehlenden
zählt ihr der Busfahrer noch vor der Tür vor. Dann der Akt der
Entwertung der Fahrkarten. Sie bedeutet Jedem, das Ticket zu nehmen und
am oberen Eck eine kleine Ecke zu entfernen. Alles muss hier seine Richtigkeit
haben!!!!! Und ich dachte, wir in Deutschland seien bürokratisch.
Endlich aus der Stadt rollend, stehen an der Strasse zum
Gonkar Airport alle 200 m Soldaten stramm, zumindest auf den ersten 60 km. Sie
stehen dort fuer die hohen Beamten und Politiker, welche dann auch in Neuen, großen
Jeeps eintreffen. Sie kommen fuer die große 80 – Jahre - Party der KP.
An
der Brücke über den Yarlung Tsangpo verlasse ich den Bus. Hier beginnt
die Südstrecke über den Yamdrock Tso nach Gyantze. Nach einer halben
Stunde finde ich einen lift auf einem Lkw. Die Aussicht den Pass hinauf
ist umwerfend schön, das Tal weit einzusehen. Dann der pass und der umwerfend
schöne See. Es war wirklich die Mühe wert! Das von den Chinesen konstruierte
Wasserkraftwerk ist schon im Gange, leider läuft der See damit langsam leer.
Normalerweise, also seit
Jahrtausenden erhielt er sich so wie er ist, ohne
Wasserablauf!!!!!!!
Übernachtet habe ich in
Narkartze, der einzigen, als Dorf zu nennenden, größeren Siedlung am See.
Abends, es ist der tag vor dem 1. Juli, eine große Feier im
Dorfgemeinschaftshaus, oder wie nennt man das hier? Ich bin neugierig und die
Soldaten lassen mich ein. Wohl 500 oder mehr Leute sitzen hier drinnen. Ein
Chinese hält eine Rede. Hinter dem Vorhang sieht man schon einige tibetische Künstler
hervorschauen. Ich freue mich, hier zu sein. Dann bin ich den Offiziellen wohl
doch nicht mehr so recht und ich werde zwar noch mittelsanft hinausbefördert.
Eine ganz klare Propagandaveranstaltung, wo’s wohl unangenehm werden könnte,
wenn ein Westler etwas aufnimmt.
Am nächsten Morgen kein angekündigter Bus, nicht um 8, noch
um 9 oder 10 AM, wie mir verschiedene Leute versicherten. Ich wanderte los, über
die weite Hochebene, Richtung Berge und Gyantze. Ich habe Glück! Ein sehr
nettes paar aus Seattle nimmt mich mit, ich kenne sie schon gut aus Lhasa! Er,
Doug, ist schon viel und lange im himalaya gewandert! Die Fahrt nach Gyantze ist
kurzweilig und landschaftlich super interessant. Ich entscheide, in Gyantze zu
bleiben und entdecke das Kloster und den Kumbum noch einmal neu. Ein
kleiner Novize verfolgt und
kontrolliert uns die ganze zeit im Kumbum. Schon nach kurzer Zeit nervt er uns.
So wird er sein vielleicht miserables Karma auch nicht aufbessern. Er erinnert
mich an Schüler, welche Alles dem Lehrer erzählen mussten, frei nach dem
Motto, "Herr Lehrer, Herr Lehrer, ich weiß was". Trotzdem hat es Spaß
gebracht. Auch meine lieben roten Figuren habe ich wieder gesehen. Ich
liebe sie noch immer, sie stammen aus dem 14 Jahrhundert, natürlich musste ich
sie wieder fotografieren.
Am nächsten Tag nahmen mich die Beiden Seattler und Jeremy
aus Boston (ich vergaß) weiter mit nach Shigatse. Die Strasse ist - für eine
Strasse zwischen der zweitgrößten und drittgrößten Stadt in Tibet - als „unter
aller sau" einzustufen. Die Fahrzeit verdoppelt sich. Trotzdem Stopp im
Kloster Zhalu, einem alten Kloster mit einem Mix aus indischem, tibetischem und
chinesischen Stil (Dachform). Ein schönes Kloster aber unfreundliche Mönche
und ein hoher Eintritt. Für jede Kapelle mussten wir erst hinter Mönchen her
laufen und fragen, ob sie uns aufschließen. Dann kamen sie, sichtlich ungern,
und taten es auch - vielleicht.
Beim Kassieren des Eintritts waren sie hingegen noch mittelfreundlich. Dazu sind
Touristen ja wohl auch da, oder?
In Shigatse leider das Selbe. Nicht so unfreundlich sind die
Mönche im Tashilumpo (sitz des Pantschen Lama), jedoch sind kaum Mönche da und
die Kapellen, sowie die golden dreidimensionalen Mantra’s verschlossen. Später
sehen wir die Mönche alle im Courtyjard diskutierend. Sie diskutieren hier sehr
verschieden zum Sera Kloster. Zwei oder Drei Stellen fragen, Einer muss
antworten und Viele hören zu. Von diesen Gruppen erfüllen vier den halben
Platz mit Leben. Am nächsten Morgen fahre ich dann allein weiter. Drei Busse
zur Auswahl. Ich setz mich in den komfortablen, neuen. Beide anderen fahren
zuerst, meiner um 9.15 AM (angesagt war 8). Am Stadtausgang eine
Polizeikontrolle. Ich solle aussteigen, der Bus, wie auch der Fahrer seien nicht
berechtigt, Ausländer zu befördern (vermute ich). Ich bleibe sitzen und rede
freundlich und beflissen auf englisch auf den Fahrer ein. Mehrfach. Zeit verrinnt und innerlich bin ich sauer, denn er hat mich in
seinen Bus gelockt und jetzt gibt es keinen anderen mehr der nach Lahtse fährt.
Ich bleibe weiterhin sitzen, wohl nach 20 min. oder so geben die Polizisten auf,
oder hat der Fahrer eine strafe bezahlt? Mir egal - wir fahren. Jedoch, neue
Busse muss man schonen. Langsam geht’s auf dieser supertollen strasse voran.
In Deutschland würde es heißen: „will der sein Auto um die Ecke tragen“?
Trotzdem – ich bin angekommen in Lahtse. Nach dem Essen ging’s weiter, ich
dachte schon, zu Fuß bis zum Checkpoint. Aber nein - gluecklich, wie ich bin,
treffen die Amerikaner wieder auf. Zwar hatten sie schon zwei Japaner mehr an
Bord, aber sie nahmen mich doch auch noch mit. Zu siebt (mit Fahrer) ging’s
nach Shegar, oder New Tingri. Dort übernachten. Es sollte 2001 meine letzte
Nacht in Tibet sein. Morgens bringen sie mich noch 12 km über den Checkpoint
zum Everest Abzweig. Dort sitze ich und denke, keiner will mich mitnehmen. Es
war so ruhig und einsam dort. unfassbar! Zweieinhalb Stunden später ein Bus zur
grenze – wieder Glück - und dann für nur 100 Y. Ich erlebe die Landschaft
noch einmal neu, es ist so wunderschön und so irre hoch und so ein tierischer
blick auf die Peaks des Himalaya. Und dann bergab, in 1 Stunde fast 2500 Höhenmeter,
es drückt auf den Ohren. In Nyalam bin ich müde, alles Wandern ist vergessen.
Ich bleibe im Bus und genieße die Schlucht und das üppige grün. Wolken in der
Schlucht, Regen, Farne, Bäume, Wasserfälle, Urwald, ... Auch der Checkpoint
vor Zhangmu lässt mich zufrieden und ohne Permitfrage ziehen. Dann verlasse ich
Tibet. Ganz einfach. Eine nette Beamtin, die wohl gerade deutsch lernen mag,
stempelt meinen Ausreisestempel und will wissen, was >good bye< auf
deutsch heißt: „Auf Wiedersehen“!!
Jetzt, in Kathmandu, humpele ich ein wenig herum, shoppe, so
weit es geht. Eine kleine Schwierigkeit wird es noch geben. Nächsten
Donnerstag, meinem Abflugtag, ist Generalstreik; kein Verkehr, auch kein
Privatverkehr!!!!! Nur die internationalen Flüge heben ab! Ich bleibe jedoch
auf dem Abflugtag, Miss Doma Lama versicherte mir, dass es ab New Road Gate
alle Stunde Busse zum Flughafen gäbe und ein Boy würde auch meinen schweren
Rucksack dorthin tragen! Also hoffe ich, dass es auch stimmt. Einen früheren
Flug zu bekommen, wäre jetzt unter diesen Bedingungen wohl auch schwierig.
Ach ja - Nepal und das Massaker an der Königsfamilie.
Kathmandu ist ruhig, jedoch glaubt hier keiner die offizielle Geschichte, dass
der Kronprinz es gewesen sein soll. erst soll er gesoffen haben (7 PM) dann soll
er gekifft und gekokst haben (7.30 PM), dann brach er zusammen, wurde ins Zimmer
getragen, er übergab sich und schlief, gegen 8.30 PM soll er dann voll klar,
angezogen und schwer bewaffnet erschienen sein und die Tat begangen haben??? Keiner
glaubt es! Die Stadt ist ruhig, für Touristen ist es wie immer. Nur Doma sieht
man es an und sie erzählt.
Soweit
aus Kathmandu - liebe Grüße - ich umarme euch – Jürgen
Bericht
11: (zum Anfang)
11.7.2001
Hallo liebe Freunde und Verwandte,
Meine Reise neigt sich dem Ende zu. Morgen geht’s los -von
hier nach Hause. Ich habe mir die letzten Tage doch noch einiges (wieder)
angekuckt (Swayambunath und heute
Bhaktapur – eine schöne, alte, wieder restaurierte, Stadt. Zum stolzen
Eintrittspreis von US $ 10).
Trotzdem freue ich mich, aufzubrechen. Es ist heiß und schwül
und mein Fuß behindert mich kolossal und er schmerzt immer noch, obwohl ich ihn
jeden Tag fuer Stunden hoch lege. Letztendlich wird mein Aktionsradius nur durch
Taxis passabel, ansonsten humpele ich ein wenig vor mich hin. Mein Flug geht
morgen um 17.00 PM, nur irgendwie muss ich zum Bus kommen, da ja Streik ist
(oder wird er doch verboten?). In Hamburg bin ich am Freitag, ich glaube so um
16.45 PM mit British Airways aus London.
Leider
ist meine Zeit zur Wiedereingewöhnung nur kurz, da ich Montag schon im
GoldbekHaus sein darf. Aber ich glaub’, erst nach einem Arztbesuch!
liebe Grüße
Meine Reise und damit auch diese Berichte sind nunmehr an
ihrem Ende angelangt. Ich hoffe, Ihr hattet Spaß, sie zu lesen. Ich umarme Euch
Jürgen
(zum Anfang)
zur Tibet
2001 Seite
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